Pilgern macht selbständig
26. April 2016
Ich sprach das neulich schon mal an, aber ich bin mit diesem Gedanken scheinbar noch nicht fertig. Immer wenn ich von den Pilgerplänen der Tochter berichtete, sonnte ich mich in meiner Coolness und der Bewunderung der anderen darüber, dass ich das Kind einfach so ziehen lasse, sechs Wochen lang, ohne große Planung, einfach nur mit dem Nötigsten im Rucksack.
Als die Tochter mit ihren Freundinnen in den Vorbereitungen steckte, tauschte ich ab und zu mit dem besten Vater meiner Kinder oder der Mutter der einen Pilgerfreundin ein „Waaah! Jetzt sind sie bald weg, das ging aber doch schnell!“, aber ein richtiges Loslassen und „alleine machen lassen“ war das eben doch nicht. Wir sichteten zusammen die Funktionsklamotten, bestellten gemeinsam Fehlendes, diskutierten den Rucksackinhalt und halfen beim Kauf der Fahrkarten. Wir taten das, was Eltern von großen Kindern eben tun: machen lassen, aber ein Auge drauf haben. Und bei Bedarf einspringen.
In der Nacht vor der Abfahrt der drei Pilgerinnen plagten mich die schrecklichsten Gedanken. Drei schöne, junge Frauen, alleine unterwegs, klug und eloquent, dabei mit einer gehörigen Portion Naivität, die schlicht der Jugend geschuldet und nicht verwerflich ist. Was da alles passieren kann! Ich steigerte mich systematisch in eine regelrechte Panik hinein, aus der ich nur hinausfand, indem ich mich erinnerte, was ich als 18jährige ohne Schäden überlebt hatte und dass eine komplette Staffel „Criminal Minds“ eben doch nicht die perfekte Vorbereitung zum Loslassen gewesen ist.
Drei strahlende Mädchen reisten ab, meldeten sich regelmäßig mit lustigen Bildern und detaillierten Berichten in ihren Blogs. Alles war gut, alles lief prima, bis es nicht mehr gut war, es nicht mehr prima lief. Die eine Pilgerfreundin musste wegen einer dicken Blase und einer entzündeten Achillessehne pausieren. Dann starb der Opa der anderen Pilgerfreundin. Und zuletzt klagte die Tochter über eine schmerzhafte Schwellung am Fuß, die sie am Weitergehen hinderte.
Dank moderner Kommunikation und freiem WLAN in den Unterkünften der Mädchen, trudelten die whatsapp-Nachrichten in immer größerer Menge ein. Und ich stellte fest, dass weder ich losgelassen hatte, noch mein Mädchen wirklich gesprungen war. Viele Probleme häuften sich da an und der erste Impuls war „Mama erzählen, Mama fragen, mit Mama besprechen“. So, wie wir das daheim eben machen und so, wie wir großartig miteinander leben. Mitteilen und teilen. Jetzt aber liegen viele hundert Kilometer zwischen uns und meine Vorstellungskraft reicht einfach nicht aus. Wie fühlt man sich wohl, wenn man tagelang immer nur marschiert, durch Regen und Wind, jede Nacht in einem anderen Bett schläft, sich etwas eigenwillig ernährt und plötzlich streikt der Körper. Oder die Psyche. Oder dieses Gruppendynamikding der drei Pilgerinnen, von denen sich zwei seit sehr vielen Jahren kennen, während die Dritte eben relativ neu im Bunde ist. Ich versucht per whatsapp Mut zuzusprechen, zu klären oder schlug vor, wie die drei miteinander Lösungen finden könnten. Gleichzeitig tauschte ich mich mit der Mutter der Pilgerfreundin aus, deren Opa gestorben ist. „Wie geht es ihr heute, wird sie weitermachen, verkraftet sie es?“ Der Tochter schrieb ich, was ich erfuhr und gab gleichzeitig Tipps, wie eine Fußschwellung, die ich auf einem Handybild begutachten konnte, zu behandeln wäre.
Als ich mir nur noch Sorgen machte und bereits überlegt, wie ich nach Spanien reisen würde, um meinem Kind beizustehen … merkte ich, dass das so nicht weitergehen kann. Und teilte der Tochter mit, dass ich zu weit weg bin, um helfen zu können und das eigentlich auch nicht wolle. Mit dem mir eigenen Talent hatte ich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt für diese Mitteilung gewählt (als nämlich die Tochter höchst verzweifelt wegen ihres Fußes war) und bekam deshalb eine entsprechend beleidigte und wütende Antwort. To make a long story short: wir vertrugen uns kurz darauf wieder und die Tochter besaß die Größe, mir zu sagen, dass ich recht hatte. Grandios. Ich hatte also die Nabelschnur mal wieder durchgeschnitten (das tut man im Laufe eines Kinderlebens sehr, sehr oft, das Ding wächst irgendwie immer wieder nach!) und beobachte jetzt mit Staunen, was passiert: nämlich nichts! Die Welt dreht sich weiter. Das Kind hat in einer fremden Stadt, ohne der Landessprache mächtig zu sein, ganz alleine eine Ärztin gefunden, sich eine Diagnose und ein Rezept abgeholt, Letzteres eingelöst und sorgt nun ganz alleine dafür, dass das mit dem Fuß wieder klappt. Sie versorgt sich mit Lebensmitteln, sie sucht sich Schlafplätze, sie wäscht ihre Klamotten und kauft sich, was fehlt.
So großartig der tägliche Kontakt ist, so schwer macht er es doch, sich wirklich zu trennen und auf eigene Füße zu stellen. Für das Jahr in Afrika, das für die Tochter im August beginnt, weiß ich jetzt, dass weniger mehr ist. Dass ich sie loslassen muss, notfalls auch ein bißchen schubsen, damit sie losgehen kann.
Mama? Ich blogge ja öfter als du!
25. April 2016
Ein berechtigter Vorwurf der Tochter, denn das mit der Bloggerei fließt nicht so recht bei mir. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht so wunderbare Geschichten wie die Tochter zu erzählen habe, mein Alltagstrott reißt ja nun so wirklich keinen vom Hocker.
Bevor Sie jetzt widersprechen, hier eine Zusammenfassung des heutigen Tages. Schnallen Sie sich an, es wird spannend.
Wer früh schlafen geht, ist früh wach. Um elf Uhr schlafen zu gehen ist eine prima Sache für mich, denn der Wecker brüllt montags um zwanzig vor sechs. (Montags und donnerstags bedeutet das quasi ausschlafen, denn sonst brüllt der Wecker schon um zwanzig nach fünf.) Den Jüngsten trifft es hart, sein Arbeitsbeginn ist sechs Uhr. Montag und Donnerstag hat er Berufsschule und könnte deshalb theoretisch länger schlafen. Unglücklicherweise ist die Berufsschule in Ingelheim, was von Nierstein aus eine kleine Weltreise ist. Zuerst nach Mainz, dort dann umsteigen.
(Kleine Anekdote am Rande: bei den ersten Fahrten zur Berufsschule hat sich mein verteiltes Kind prompt verfahren, weil es den Fahrplan schludrig las. So fuhr er nach Nieder-Olm, statt nach Nierstein, was einem Umweg von etwa zwei Stunden bedeutete. Ein bißchen Sorgen machte mir das schon, aber hey, die Zeiten, in denen er seinen Schulweg während der Sommerferien vergaß, sind vorbei.)
Der beste Vater meiner Kinder steht auf, ich darf liegen bleiben, doch schlafen kann ich nicht mehr. Um das traute Morgengebrummel in der Küche nicht zu stören, warte ich bis die Haustür ins Schloss klappt, bevor ich aufstehe, mir einen Kaffee koche und den gar nicht mehr so kleinen Hund mit Frühstück versorge. Der beste Vater meiner Kinder schläft bis acht Uhr auf dem Sofa, ich trinke meinen Kaffee manchmal bei ihm, heute ging ich zurück ins Bett. Ich bin nämlich schrecklich krank, ein unbarmherziger Schnupfen quält mich und ich habe ein kleines déjà-vu, denn auch letztes Jahr hatte mich eine fiese Erkältung vor der re:publica niedergestreckt.
Der beste Vater meiner Kinder verabschiedete sich, ich steckte Lola ins Hundegeschirr und wählte für heute eine etwas dickere Jacke für die Hunderunde. Eine weise Entscheidung, denn obwohl da draußen ein fröhlicher Wolken-Sonne-Mix war, pfiff ein kalter Wind. Die Hunderunde war heute eine äußerst arbeitsintensive für Lola, denn ich übe gerade mit ihr, dass sie nicht sofort lossprinten darf, so wie sie etwas Interessantes sieht. Mit Schleppleine und der Hälfte der Futteration arbeiteten wir eine gute Stunde und marschierten eine knappe weitere Stunde wieder heim. Ich war der platt, der Hund aufgewärmt und bereit für weitere Abenteuer.
Kurz nach zehn kam ich heim. Das passte prima, denn Oma Eis hatte sich für halb elf angekündigt. Nach wie vor haben wir Montags unserem Mutter-Tochter-Tag und normalerweise machen wir die Hunderunde zusammen. Oma Eis hat aber ihre eigene Frau Knie und deshalb derzeit keine Möglichkeit mit uns zu laufen. Übernächste Woche wird operiert und danach sollte es bald wieder klappen.
Der große Sohn schleppte sich aus dem Bett und wir spätstückten zu dritt. Nach einem gemütlichen Schwätzchen, bei dem sämtliche Neuigkeiten ausgetauscht wurden, verabschiedete sich Oma Eis, mein Schnupfen und ich gingen mit den Zähnen klappernd auf’s Sofa unter die dicke Decke. (Mit Hund und Kater als Wärmflasche) Der große Sohn nahm seinen eigenen Schnupfen mit ins Bett, montags hat er nur am Abend eine Vorlesung und die schwänzt er sowieso. (Er studiert ja nur noch ein bißchen zum Spaß, denn am ersten September beginnt seine Ausbildung zum Chemielaboranten.)
Ich schlief quasi umgehend mit hübschen, wirren (Fieber)Träumen ein und wurde erst um halb drei wieder wach, als der Jüngste heim kam. Wir tauschten uns aus, bevor der Jüngste in seinem Zimmer verschwand. Ich fühlte mich äußerst erfrischt und beschloss eine Kröte zu killen. Der Berg der „muss ich reparieren oder verändern oder irgendwie anders machen“-Kleidung passt mittlerweile nicht mehr auf einen Stuhl, weswegen ich die Nähmaschine und die Overlock herbeiräumte und mich ans Werk machte. Fünf alte Sommerröcke sind nun wieder stadtfein, drei Oberteile passen und gefallen mir nun endlich und ein Pullover des besten Vaters meiner Kinder hat kein Loch mehr unter dem Arm. Ein paar ausgerissene Knöpfe und ein einige angefangene Sachen liegen da jetzt noch und vielleicht habe ich morgen ja nochmal einen Anfall von „aus alt mach neu“.
Eigentlich hätte ich heute keine Zeit für Nähereien gehabt, eigentlich wäre heute Sprachunterricht dran gewesen. Der findet aber seit letzten Montag nicht mehr statt, denn „mein“ Syrer (16) und ich haben gemeinsam beschlossen, dass Lernen zwar nach wie vor super wichtig ist, derzeit aber das ausreicht, was in der Schule passiert. Dort ist er mittlerweile im Fortgeschrittenenkurs und auch in seiner Freizeit ist er sehr fleißig, das läuft also. Hm. Es ist ein bißchen schwierig, aber eben auch Zeit. Als er vor einem halben Jahr zu mir kam, sprach er kein Wort Deutsch, jetzt können wir uns gut unterhalten. Jetzt hat er hier Freunde, syrische, kurdische und auch deutsche. Es ist gut, ihn ziehen zu lassen. Und vielleicht nimmt er mein Angebot der stets offenen Tür ja gerne an. Mit „meinem“ anderen Syrer (33) findet schon lange kein Unterricht mehr statt, er will nicht lernen und da kann ich nix machen. Das Internetcafé läuft aus. Zuletzt saß nur noch ein sehr fleißig Lernender dort, dem ich dann letztlich einen der gespendeten Rechner mitgegeben habe. Die alten Aufgaben laufen aus, mal sehen, welche neuen demnächst kommen, Arbeit gibt es immer.
Der Jüngste übernahm die Abendhunderunde, so konnte ich an der Nähmaschine sitzen bleiben.
Der beste Vater meiner Kinder kam heim, ich telefonierte mit der Freundin, die mich nächste Woche nach Berlin begleitet und irgendwann um acht war dann Feierabend.
Jetzt sitze ich mit Tee, Orangen, dem besten Vater meiner Kinder und dem weltschlimmsten Schnupfen auf dem Sofa, höre mir Sprachnachrichten der Tochter an und schreibe vor mich hin.
Ich glaube, dass diese Twitter-Sache meiner Bloggerei nicht gut tut. Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag alles,was ich zu erzählenhabe, dort in 140 Zeichen quetsche. Es ist eher so, dass mir das Lesen dort wirklich oft schlechte Laune bereitet, weil wieder irgendeine Sau durchs Dorf getrieben wird, weil schöne Dinge, nur noch getan werden können, wenn man unsagbar ironisch darüber spricht und vielleicht auch nur, weil ich selbst nicht diszipliniert genug bin, um sinnlose Diskussionen einfach links liegen zu lassen, statt sensationslüstern nachzuforschen, wer jetzt schon wieder nicht mit wem kann, wer dies oder das gesagt hat und das geht ja gar nicht, das wissen wir doch alle. Vielleicht endet mein Twitterdings dann so wie diese Facebooksache: ich geh erstmal nicht mehr hin.
12 von 12 im April
12. April 2016
Zwölf Bilder am Zwölften jeden Monats.
Es ist schon faszinierend – früher, als die Kindelein sehr klein waren und ich eigentlich für nichts Zeit und/oder Kraft hatte, habe ich täglich gebloggt, manchmal sogar zwei-, dreimal. Heute, wo die Kindelein ausgesprochen groß, selbständig und teilweise ausgeflogen sind, bleibt weiterhin für nichts Zeit und/oder Kraft und obendrein vernachlässige ich das Bloggen. Heute aber.
Nach einem Wochenende voller Sonne und Wärme war der Tagesbeginn heute dann doch eher eine Enttäuschung. „Regen ist super für das ganze frischgepflanzte Gemüse im Garten“ war nur ein klitzekleiner Trost, die Aussicht auf eine regennasse Hunderunde ließ meine Laune sinken.
Aber wie es dann oft so ist: einmal unterwegs und alles ist gut. Der Regen ließ nach, die Luft roch wunderbar nach den blühenden Schlehen am Wegesrand und obendrein traf ich auf eine Bekannte mit Hund. Während unsere Hunde durch die Zeilen tobten, schwätzten wir. Der gar nicht mehr so kleine Hund war äußerst brav und kam auf Zuruf sofort zu mir. Sehr beruhigend, denn die Wingerte sind voll mit Kaninchen und etlichen, teils hochträchtigen Rehen. Der Jagdhund in ihm will lospreschen und es ist nicht immer leicht, manchmal sogar unmöglich ihn abzurufen. Dann hilft nur eine Schleppleine. Heute aber jede Menge Freilauf und Spiel und für mich die Gewissheit, dass der restliche Tag sehr ruhig verlaufen würde.
Auf dem Rückweg musste ich an Frau Brüllen und ihre Super-Mario-Party denken und schnell ein Bild für sie knippsen.
Wieder daheim blieb kurz Zeit für ein Frühstück, bevor die Ohrenkontrolle bei Lola anstand. Die Entzündung im Ohr ist wunderbar abgeklungen, Ohrentropfen sollen wir noch eine weitere Woche verabreichen. So weit, so langweilig.
Wieder daheim hatte sich meine leichte Restmigräne vom Vortag noch einmal zu vollen Höhen aufgeschwungen, samt Lichtempfindlichkeit und Übelkeit. Ich verteilte noch rasch ein paar Aufgaben an den großen Sohn und verschwand im Bett. Zwei Stunden später tobte es noch immer hinter meiner rechten Schläfe und ich war sehr verzweifelt. Zwei Tage hintereinander Migräne ist ungerecht.
Ich trank ein große Tasse Tee und bekam Hunger. Ein gutes Zeichen.
Mit Kaffee, Käsebrötchen und Schokolade setzte ich mich raus in die Sonne, ganz sicher, dass ich nach dem Essen fit für anstehende Pflanzarbeiten sein würde. Letztlich dauerte es noch zwei Stunden, bis ich mich ohne Schwindel und Übelkeit bewegen konnte, doch der Schmerz in der Schläfe verklang.
Der große Sohn baute in Ernels Garten einen Zaun. Bisher war das Grundstück zu den Nachbarn hin offen, was letzten Sommer bedeutete, dass ich Lola immer anbinden musste, wenn ich im Garten arbeitete. Wenn der Zaun steht, kann sie durch den Garten brummen und sich ein Plätzchen suchen. Der Nachbargarten wird gerade neuangelegt. Die Nachbarin bewältigt ihr Stück nicht mehr, deswegen wird pflegeleichter Rollrasen ausgelegt. Was an Beerensträuchern, Kräutern und Blumen vorhanden war, durfte ich mir ausgraben, so landen die Pflanzen wenigstens nicht auf dem Müll. Das tröstet sie ein bißchen, denn sehr glücklich ist sie über diese Neugestaltung letztlich doch nicht.
Dieses Jahr möchte ich meine Terrassenkästen ein bißchen dauerhafter bepflanzen. Vor etlichen Jahren hatte ich sehr viele Kräuter in den Kästen. Das sah toll aus und roch ganz wunderbar. Nach und nach fielen die Kräuter aus und ich ersetzte sie nicht, sondern pflanzte einjährige Sommerpflanzen. Das ging gewaltig ins Geld, denn ich habe viele Terrassenkästen. Jetzt also wieder Kräuter und dazwischen wenn es Zeit ist die gesäten Minitomaten und Chilis.
Vor dem Pflanzen stand aber das Auffrischen der Pflanzkästen. Letztes Jahr hatte ich sie mit frischem Kompost gefüllt, ich trug also nur die verdorrten Pflanzen und die oberste Schicht Erde ab. Und förderte aus jeden Kasten mindestens zehn dieser Engerlinge heraus. Das sind Engerlinge des Rosenkäfers und wer auch immer behauptet, dass der bedroht sei, soll bitte in meinen Garten kommen. Im Sommer brummt es an allen Ecken und diese schönen, grüngoldenen Käfer fliegen durch die Gegend. Heute freuten sich aber die fleißig brütenden Amseln über eine Menge Engerlinge, die restlichen Engerlinge kamen mit vertrockneten Pflanzen und abgetragener Erde zurück auf den Kompost.
Ich werkelte vor mich hin (der Kopfschmerz ließ immer mehr nach, hurra!). Hund und Kater flitzten durch den Garten, Sonne und leichter Regen wechselten sich ab, der Jüngste hatte Feierabend und plötzlich war es sechs Uhr und die Hunderunde stand an.
In Jeans, T-Shirt und leichter Strickjacke war ich losmarschiert, denn es herrschten ja laue, frühlingshafte Temperaturen. Deshalb änderte ich nach einem Blick zum Himmel sehr schnell meinen Marschplan. Statt auf halber Höhe gemütlich ein paar Schleifen zu laufen, lief ich nur eine klitzekleine Runde mit dem Hunde, genau so lange, bis die nötigen Abführgeschäfte erledigt waren. Bewegung hatte Lola den ganzen Tag im Garten, mein Gewissen war nicht allzu schlecht. Kaum war ich wieder daheim, regnete es in Strömen.
Der beste Vater meiner Kinder kam heim, ich kochte Bolognese zum Abendessen (die morgen aufgewärmt noch leckerer sein wird) und wir tauschten uns über unseren Tag aus. Meine Migräne hatte sich mittlerweile (hurra, hurra!) ganz und gar verabschiedet und als die Sonne noch einmal über den Weinberg linste, hätte es ein perfekter Tagesabschluss sein können. Bis der Schreinerfreund anrief und uns den Tod seines Ziehvaters mitteilte. Paul wurde über neunzig Jahre alt und war auch bis fast ganz zuletzt fit, doch es trifft dennoch hart. Er starb unter einem blühenden Kirschbaum, das rührt mich sehr an. Mein Kirschbaum wird spätestens übermorgen blühen und darauf freue ich mich nun doppelt. Hart ist es für Marie, die Tochter des Schreinerfreundes, die gerade mit Anne in Spanien ist. So weit weg von der Familie ist Traurigsein doppelt schwer.
Im letzten Abendsonnenschein gingen wir nochmals raus in den Garten. Der beste Vater meiner Kinder experimetiert mit einer Austernpilzzucht. Gestern hat er Birkenstämme mit Pilmyzelen geimpft, heute hat er einen Strohballen vorbereitet, um diesen ebenfalls zu impfen. Ich werde bei Gelegenheit hier oder im Gärtenerinnenblog darüber berichten.
Die Söhne verabschiedeten sich in ihre Zimmer, wir verzogen uns auf das Sofa. Das Ofenfeuer ließen wir sehr rasch wieder runterbrennen, es ist einfach zu warm dafür. Die aufkommenden Süß-Gelüste stillten wir mit einem schnell gekochten Topf Vanilleflammeri, meine Portion gab es mit Quittengelee, der beste Vater meiner Kinder genoss pur.
Der Tag ist vorbei.
Ich bin sehr glücklich, weil die Tochter mir heute erzählt hat, dass sie einfach nur noch läuft, ohne Schmerzen, ohne Muskelkater, Laufen um des Laufens willen. Ich bin sehr traurig, denn Paul wird fehlen.
Weitere „12 von 12“ gibt es bei Frau Kännchen.
WMDEDGT?
5. April 2016
Frau Brüllen will’s wissen.
Eigentlich habe ich mich heute den ganzen Tag nur umgezogen. Durchnässt nach der ersten Hunderunde am Morgen, voller Tierhaare nach Tierarztbesuch, wetterfest für die zweite Hunderunde am Abend, danach erneut durchnässt.
Beim Tierarzt hatte ich zwei bestens erzogene Viecher dabei, die sich ohne Murren und Klagen untersuchen und impfen ließen. (Murren und klagen musste ich hinterher, weil das ganz schön teuer war) Der gar nicht mehr so kleine Hund hat eine Entzündung im Ohr, was leider keine Entschuldigung für „sie hört irgendwie nicht“ ist, wohl aber eine Erklärung für gedämpfte Hundestimmung. Das Ohr wird jetzt regelmäßig gespült und getropft, es sollte hoffentlich rasch heilen.
Der kleine Kater ist kerngesund und ließ sich bei der Untersuchung entspannt schnurrend von Arm zu Arm reichen. Vielleicht war er auch einfach nur vom Geruch im Behandlungszimmer betäubt. Als wir es betraten, würden wir mit den Worten „Ich hab das Fenster schon aufgemacht, aber es riecht trotzdem noch ein bißchen nach ausgedrückten Analdrüsen.“ Tat es. Sehr.
Direkt vor der Haustür schaltete Lola ein neues Feature frei: ins Auto kotzen. Zum Glück nur einmal, zumal wenig verdaut, zum Glück auf eine Decke. Aufregung und Schmerz haben sich da wohl einen Weg gebannt, sie war sofort wieder äußerst vergnügt und an meinem Mittagessen interessiert.
Hund und Kater legten sich schlafen, ich begann eine Liste von Verben und deren Hilfsverben im Perfekt zu erstellen. Gibt es eigentlich eine Regel, wann „haben“ und wann „sein“ benutzt wird? Ich kann mich nicht erinnern (und ja, ich könnte googlen). „Mein Syrer“ bekommt dann diese Liste mit den ganzen Sonderformen zum Lernen. Deutsch ist ganz schön schwer, fällt mir immer wieder auf. Doch er ist nach wie vor voller Ehrgeiz und lernt gut und sehr schnell, ich bin richtig stolz auf ihn. „Mein anderer Syrer“ hingegen hat das Handtuch = den Deutschunterricht geschmissen. Er will nicht, vermisst seine Familie, hängt rum. Ich weiß nicht, wie ich da helfen kann, ob ich helfen kann. So wie das Wetter besser ist, laden wir sie zum Grillen ein und dann mal schauen, ob sich irgendeine Beschäftigung findet, bei der nebenbei Deutsch gelernt werden kann.
Ansonsten gab es heute noch das übliche Bißchen Haushalt, ein wehmütiger Blick zum ewig zugeschnittenen Rock, den ich zusammennähe sobald … ja was eigentlich? Ich wieder Lust dazu habe vermutlich. Meine Sämereien habe ich durchgesehen, morgen früh bringe ich ein paar davon in die Erde. Gekocht, mit der geschrumpften Familie gespeist, eine Sprachnachricht von der sehr vergnügten klingenden Tochter angehört und jetzt mit Hund auf den Beinen und dem besten Vater meiner Kinder neben mir auf dem Sofa sitzen.
Das war’s schon. (die fünften sind scheinbar immer eher ruhige Tage)
Trainingstag
1. April 2016
Vermutlich wird es schneller Juni sein, als ich „nur noch April und Mai“ sagen kann. Dann geht es los nach Irland auf den Wicklow Way. Tägliche Hunderunden trainieren mich zwar gut, doch länger als acht Kilometer am Stück laufe ich nicht. Einige Etappen auf dem Wicklow Way sind aber knapp über zwanzig Kilometer lang, obendrein sind einige Höhenmeter dabei. Ich war neugierig, ob es mir schwerfällt, eine längere Etappe am Stück zu laufen, ohne völlig erledigt zu sein.
Der Rheinterrassenweg führt von Mainz nach Worms, liegt also vor der Haustür. Da wir immer wieder wanderfreudige Gäste beherbergen, hatten wir uns schon länger vorgenommen, Etappen auf diesem Weg zu laufen. Außerdem sollte der gar nicht mehr so kleine Hund endlich Zugfahren lernen und deshalb heute, trotz anfänglichem Regen und einer gewissen Unlust: der Rheinterrassenweg von Mainz-Laubenheim bis Nierstein.
Mit dem Zug fuhren wir nach Laubenheim und stellten fest: begeistert ist der gar nicht mehr so kleine Hund nicht unbedingt, dafür aber geduldig und angstfrei. Das passt dann schon und eröffnet uns einige Wege. (ein Auto haben wir nämlich nicht immer zur Verfügung)
In Laubenheim folgten wir zunächst den gelb-schwarzen Hinweisschildern, die den Zustieg zum Rheinterrassenweg anzeigten. Lnagweilig, auf dem Gehweg und es regnete sachte vor sich hin. Außerdem ging es bergauf und ja, meine Laune war nicht die allerbeste.
Nach ein paar Minuten besserte sich meine Laune schlagartig, denn der offizielle Weg begann und mit kleinen, gepflasterten, geschwungenen Pfaden kriegen Sie mich immer:
Nierstein, 15 Kilometer. Erwähnte ich, dass es sachte regnete? Das war mittlerweile egal, denn wir fanden recht schnell unseren Schritt, der Weg verlief ohne nennenswerte Steigungen und die Gegend … Weinberge mit Fernblick bis Frankfurt, blühende Schlehen am Wegesrand. Schön!
Ziemlich schnell kamen wir an Bodenheim vorbei. Das Wetter war uns äußerst freundlich gesinnt, denn der Regen hörte auf, die Sonne kam ab und zu hinter den Wolken hervor. Perfektes Wanderwetter und das Gefühl, noch endlos weiterlaufen zu können.
Lola zeigte keine Ermüdungserscheinung, musste aber nach Bodenheim wieder an die Leine, weil auf Schildern wegen des Wildes darum gebeten wurde. Nicht schlimm, sie war genug gerannt und lief ziemlich brav mit uns mit.
Zwischen Bodenheim und Nackenheim endete der asphaltierte Weg und es ging auf Feldwegen weiter. Ein sehr matschige Angelegenheit, dank des vielen Regens der letzten Tag. Wir glitschten und schlitterten an frischgepflügten Äckern entlang und liefen prompt falsch, weil an einer Abzweigung der Wegweiser abgerissen worden war. Ein kleiner Umweg, der mich sehr nervte, aber es konnte ja keiner was dafür.
Die richtige Abzweigung führte uns dann runter nach Nackenheim.
Nackenheim ist nicht der allerschönste Ort, was sicher auch daran liegt, dass er direkt an Bahnlinie und B9 liegt. (und direkt am Rhein, was wildromatisch sein könnte, leider aber zusätzlichen Lärm durch die Schiffe bedeutet. Die wummern nämlich mit ganz tiefem Ton vorbei, den man mehr im Bauch spürt als hört. Je nach Wind- und Wetterlage „hörenspüren“ wir Schiffe bis hoch zur Grünen Villa.)
Wir querten Nackenheim und stiegen wieder hoch in die Weinberge, in nahezu vetrautes Gebiet, denn in diesen Weinbergen hatten Lola und wir unseren Einstieg in die Hundeerziehung bei der großartigen Johanna vom Wolfsrudel.
In der Ferne tauchte Nierstein auf, nur noch etwas über fünf Kilometer!
Der Rheinterrassenweg verläuft ganz oben am Roten Hang, parallel dazu, tiefer am Hang verlaufen drei weitere Wege. Diese Wege führen ohne Umweg nach Nierstein, der Rheinterrassenweg verläuft in einer kleinen Schleife …
… er führt nämlich zum Aussichtspunkt „Brudersberg“ und danach noch ein wenig vom Rhein weg, mitten in die Weinberge. An der Fockenberghütte fehlt leider ein Wegweiser, dort wird nach Nierstein abgestiegen. Wieder in einigen Schleifen durch die allermalerischsten Wingerte bis zum Marktplatz. Und der Kenner der Gegend weiß: am Marktplatz ist das Café Erni&Illi!
Wir rasteten wohlverdient bei Milchkaffee und Kuchen und schafften so gestärkt noch den halben Kilometer bis zur Grünen Villa. Der beste Vater meiner Kinder hatte mitgetrackt:
Zwanzig Kilometer geschafft und hinterher nicht völlig erledigt. Ich sehe Irland nun sehr entspannt entgegen, auch wenn uns dort bei den ersten Etappen einige Höhenmeter mehr erwarten.
Zum Rheinterrassenweg: ein netter, anspruchsloser Weg für Menschen, die gerne gemütlich wandern wollen. Mit Turnschuhen oder Sandalen zu bewältigen, wir trugen deshalb Wanderschuhe, weil wir die neuen Schuhe einlaufen müssen. Nicht zu empfehlen ist dieser Weg im Hochsommer, denn vor der knallenden Sonne gibt es keinen Schutz und insbesondere vor Nierstein wird es sehr, sehr heiß am Roten Hang. Glauben Sie mir das einfach. Auch mit Kindern ist dieser Weg nicht zu empfehlen, er ist nämlich langweilig. Geradeaus mit toller Aussicht. Erfahrungsgemäß stehen Kinder nicht auf so etwas und irgendwann ist man es einfach leid „ein Hut, ein Stock, ein Re-gen-schirm“ zu spielen. Ich würde diesen Weg mit Menschen laufen, die viel Gegend sehen und hinterher irgendwo zu einem Glas Wein einkehren wollen.
Wir werden demnächst die Etappe Nierstein – Guntersblum laufen, wenn sich diese spektakulär von unserer heutigen unterscheidet, werde ich darüber berichten.